Oh Mann, MEIN RÜCKEN!
Die Nacht war genauso besch*** eiden wie der Gesamteindruck des Motels es erwarten ließ – und richtig geschlafen haben weder Nadine, noch ich. Dieser dämliche Kühlschrank, genauer gesagt dessen Kompressor, hat uns mehrfach aus dem Schlaf geholt: jedes Mal, wenn das Teil wieder ausging, tat es dies mit einem lauten Schlaggeräusch (so, als würde man mit einem Hammer auf einen Stahlklotz schlagen). Zusätzlich war die Nacht schweinekalt, da es in dem Zimmer nur einen elektrisch betriebenen Heizer gab, auf dessen Zuverlässigkeit wir uns aber nicht verlassen wollten (wenn das Teil so gut gewartet wird, wie das Badezimmer geputzt,……..) und ihn für die Schlafphase lieber deaktiviert hatten.
Jetzt aber nix wie raus hier!
Quasi um 09:00 Uhr saßen wir schon wieder im Auto und machten uns auf den Weg in Richtung Winthrop. Bei der Reiseplanung hatten wir diesen Ort in einem unserer Reiseführer als interessantes Kleinstädtchen mit alten Wildwest-Gebäuden entdeckt und der Verfasser des Buchs empfahl Winthrop als unbedingt sehenswert!
Vorher standen allerdings noch „Frühstücken“ und der „Grand Coulee Dam“ auf der Agenda!
Das Frühstück verlief unkonventionell aber großzügig im Fahrzeug an den Ufern des Stausees. Wir hatten am Vortag ja ordentlich bei Walmart eingekauft und konnten so auf fein belegte Sandwiches zurückgreifen – zum Nachtisch gab es dann noch edelstes Tiramisu!
Eine komödiantische Note bekam das Frühstück durch die musikalische Untermalung, denn wir „kriegten“ lediglich einen einzigen Sender rein – es war zwar nicht der NDR und er spielte auch nicht Tanzmusik, dafür aber Klassik am Sonntagmorgen. So aßen wir also feinste italienische Teigwaren zu den Klängen eines Violinenscherzos, gespielt vom Dresdner Sinfonieorchester. Wenn schon frühstücken, dann auch bitte mit Stil! 🙂
Anschließend ging es dann zum Grand Coulee Staudamm, dem größten Staudamm der USA und dem fünftgrößten der Welt. Ja, bisher waren auch wir der Meinung, dass der Hoover Staudamm, immerhin der wohl bekannteste Staudamm, der größte ist. Aber weit gefehlt! Auch wenn man es ihm nicht so wirklich direkt ansieht, so würde der Hoover Damm, von seiner Betonmenge her gerechnet, DREI MAL in den Grand Coulee Damm passen! Die drei Turbinen des Wasserkraftwerks liefern Strom für ELF Bundesstaaten! Der aufgestaute Franklin Delano Roosevelt See hat eine Gesamtfläche von unfassbaren 324 Quadratkilometern – also ein echtes Mordsteil in jeder Beziehung!
Gegen 14:00 Uhr erreichten wir das gebuchte Motel in Winthrop. Da wir für den Checkin allerdings noch etwas früh waren, drehten wir erstmal eine kurze Übersichtsrunde durch den Ort. Und irgendwie wussten wir danach nicht, was wir bitte den ganzen Tag hier tun sollen. Auch stellten wir uns die Frage, was der Autor des Reiseführers in diesem Ort gesehen hatte. Ja, zwei, drei nette Häuschen – aber selbst wenn wir uns gaaaanz viel Zeit lassen würden, wären wir nach ner halben Stunde durch! Und dafür dann den Rest des noch frühen Tages in einem (vermutlich eher durchschnittlichen) Motel vertrödeln?!
PLANÄNDERUNG!
Wir checkten online, ob unsere nächste Unterkunft, das Moondance Inn Bed and Breakfast, eine traumhaft schöne Pension, in der wir das Lakeview-Zimmer gebucht hatten, für heute schon frei wäre. Und tatsächlich: alle Zimmer ausgebucht – bis auf unseres!
Wir fuhren daraufhin zu unserem Winthrop-Motel und versuchten eine Stornierung. Die freundliche Mitarbeiterin erließ uns sogar die 20 Dollar Stornogebühr und bestätigte uns für Expedia (da hatten wir im Vorfeld bezahlt), dass keinerlei Kosten angefallen seien. Meganett! Nebenbei lernten wir noch ein älteres deutsches Ehepaar kennen, das just in diesem Moment eincheckte und die gerade tatsächlich fast exakt unsere Reiseroute IN GEGENRICHTUNG unternehmen – und das auch noch im exakt gleichen Fahrzeug mit fast dem gleichen Kennzeichen! Irgendwie war das schon ein wenig gruselig 🙂
Wenig später saßen wir wieder in UNSEREM weißen Jeep und machten uns auf die vierstündige Weiterfahrt nach Bellingham. Klingt zwar nach etwas viel Autofahrt für einen Tag (immerhin hatten wir ja schon zweieinhalb Stunden hinter uns), aber das war uns 1000 Mal lieber, als einen Tag sinnlos in einem Nullachtfünfzehn-Motel zu vertrödeln. Außerdem sollte sich die Fahrt als deutlich unterhaltsamer herausstellen als erwartet!
Zunächst führte uns die Straße nämlich wieder steil einen Bergpass hinauf. Links und rechts sahen wir bald wieder schöne weiße Schneeflächen. Aber dann kam etwas Neues: Schnee von oben! Es fing tatsächlich auf eine Höhe von 1.596 Metern an zu schneien! Ich stand im T-Shirt draußen und fotografierte und kurz darauf landeten dicke Flocken auf mir!
Ich fotografierte in diesem Moment übrigens einen Motorradfahrer, den ich auf der Straße unter uns hatte ankommen sehen, im Stil eines sogenannten „Mitzieher-Fotos“. Hierbei versucht man, die Belichtungszeit ungefähr an die Geschwindigkeit des bewegenden Objekts anzupassen und bewegt die Kamera dann beim Auslösen mit dem Objekt im Fokus – das ergibt dann diese Bilder, wo das (in diesem Fall) Motorrad schön scharf ist, während der Hintergrund in der Bewegung unscharf verwischt.
Der Motorradfahrer drehte sich um und fragte mittels Körpersprache, ob das Bild was geworden ist – und ich signalisierte ihm „Daumen hoch“. Ergebnis: er wendete, kam zurück und fragte, ob ich ihm das Bild mailen könnte. Wir unterhielten uns noch einen kurzen Moment, wünschten uns jeweils eine gute Reise, dann setzten wir unsere Wege fort. Auf den weiteren Kilometern hatten wir noch einige Male Kontakt weil immer irgendwie einer von uns anhielt und dann wieder vom jeweils anderen eingeholt wurde – begleitet von feudalem Hupen 🙂
Nach wirklich kurzweiligen vier Stunden Fahrt mit diversen Foto- und Restroom-Stopps erreichten wir dann unsere Bleibe für die nun kommenden zwei Tage. Und hier wurde uns dann wieder mal klar: es MUSS einfach einen Reisegott geben: Man mag zwar hier und da mal etwas in die Sch***e greifen, aber kurz darauf wird es einem wieder tausendfach gutgeschrieben!
Wir haben jetzt ein traumhaft schönes, großes Zimmer, eine Dachterrasse mit Seeblick und ein Luxusbad mit Whirpool und Riesendusche. Ja, hier werden wir es garantiert bis Dienstag aushalten. 🙂